Obstwirtschaft mit Grips geht weiter

Streuobstwiesen schützen und ökologisch bewirtschaften - Weidenberger Umweltprojekt hat Rückendeckung der Mitgliedsgemeinden

Kulturlandschaft pflegen, Streuobstwiesen erhalten ist ein wichtiges Thema der Landschaftspflegeverbände (LPV). Der Weidenberger LPV entwickelte zu diesem Zweck Apfel-Grips – ein Projekt, das einen Gewinn für alle Seiten versprach. Lange Zeit lief es gut, im vergangenen Jahr aber mussten die Gründerinnen bangen, denn die beiden Landschaftspflegeverbände der Region bekamen neue Strukturen.

Strukturen, in die Apfel-Grips nicht mehr so recht zu passen schien, sagt die Biologin Barbara Dahinten, gemeinsam mit Christine Schamel von der ersten Stunde an dabei. „Im ersten Moment dachten wir, es ist aus.“

Neue Strukturen: Vor der Umstrukturierung gehörten die Gemeinden Weidenberg, Speichersdorf, Creußen, Goldkronach, Emtmannsberg, Kirchenpingarten und Seybothenreuth zum LPV Weidenberg. Im vergangenen Herbst fiel die Entscheidung, das Naturschutzprogramm des Landratsamtes einzustellen und die vom Amt betreuten Gemeinden auf die beiden Landschaftspflegeverbände Weidenberg und Pegnitz zu verteilen (der Kurier berichtete). Seither gehören 18 Gemeinden zum LPV Weidenberg. Bad Berneck, Bindlach, Bischofsgrün, Fichtelberg, Gefrees, Haag, Heinersreuth, Mehlmeisel, Prebitz, Schnabelwaid und Warmensteinach kamen hinzu. Apfel-Grips als Besonderheit des Weidenberger LPV, in dessen Rahmen bislang nur die sieben ursprünglichen Mitgliedsgemeinden betreut werden und für das es im anderen LPV kein Äquivalent gibt, passte nicht mehr in das neue Finanzierungsmodell des LPV, berichtet Dahinten.

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Obstwirtschaft mit Grips Christine Schamel und Barbara Dahinten
Seit 17 Jahren kümmern sich Christine Schamel und Barbara Dahinten um Apfel-Grips, die Initiative des Landschaftspflegeverbandes Weidenberg, um Streuobstwiesen zu erhalten. Seit acht Jahren gehört auch die Organisation der Holunderblütenernte für den Holler-Secco dazu - die ersten Sträucher blühen gerade. Foto: Andreas Harbach

Neue Finanzierung: „Es war uns außerordentlich wichtig, dass der Apfel-Grips, der sich etabliert hat, nicht plötzlich tot ist“, sagt der Weidenberger Bürgermeister Hans Wittauer. „Wenn diese Marke weg wäre, könnte man so etwas heutzutage nie wieder neu installieren.“

Alle sieben Mitgliedsgemeinden hätten deshalb einstimmig beschlossen, Apfel-Grips nicht sterben zu lassen, nur weil es seitens des Landkreises dafür kein Geld gibt. Das Projekt werde umlagenfinanziert weiterbetrieben – wenn denn ein Zuschuss nötig sei. „Die neu hinzugekommenen Gemeinden können sich natürlich beteiligen, wenn sie das möchten“, sagt Wittauer. „Jetzt haben wir wieder den Auftrag“, sagt Barbara Dahinten.

Was ist Apfel-Grips? Im Jahr 1999 stellte der Landschaftspflegeverband Weidenberg das Projekt auf die Beine. Erstes Ziel ist der Erhalt und die Pflege von Streuobstwiesen für den Natur- und Artenschutz und den Grundwasserschutz. Dafür wird den Eigentümern der Wiesen ein wirtschaftlicher Anreiz geboten: „Bei uns gibt es Geld für das Obst“, sagt Dahinten. Die Vorarbeit dauerte ein knappes Jahr: Zunächst wurden Wiesen kartiert, zu den Eigentümern – meist ehemalige Landwirte oder deren Kinder und Enkel – Kontakt aufgenommen, die vorhandenen Obstsorten gelistet, Verträge geschlossen. Apfel-Grips verpflichtet sich, das Obst gegen einen Mindestpreis anzunehmen – es gibt Höchstmengen, die zur Zahl der Bäume passen.

Die Eigentümer der Wiesen verpflichten sich im Gegenzug zu einer angemessenen Flächenpflege. Höchstens ein bis drei Mal pro Jahr die Wiesen zu mähen, nicht zu spritzen und nicht mineralisch zu düngen. Im Jahr 2000 ging es los: „Und wie“, erinnert sich Christine Schamel: „Damals hatten wir eine Obstschwemme, Keltereien haben damals gar nichts mehr angenommen.“ Aus dem Obst lässt Apfel-Grips Direktsaft produzieren, der in regionalen Märkten verkauft wird – im Idealfall trägt sich das Projekt selbst. Seit 2008 auch Apfel-Secco und Holler-Secco. Außerdem Liköre, Schnäpse, Marmelade und Gelee. Die Eigentümer der Wiesen werden zudem beraten: unter anderem gibt es Baumschnittkurse. Wenn ein Baum nachgepflanzt werden soll, helfen die LPV-Mitarbeiterinnen bei der Wahl der richtigen Sorte.

Was gilt als Streuobstwiese? Um bei Apfel-Grips dabei sein zu können, muss die Streuobstwiese außerorts liegen und frei zugänglich sein. Die Bäume müssen Hochstämme sein, die erst ab etwa 1,80 Meter mit Astverzweigungen beginnen. Unter den Bäumen muss Wiesengrund sein – manchmal werden auch Baumbestände auf Böschungen oder am Ackerrand mit aufgenommen. Bei Apfel-Grips machen zurzeit 100 Wiesenbesitzer mit. „Jeder hat mindestens 20 Bäume, insgesamt betreuen wir also über 2000 Bäume“, sagt Schamel. Am zahlreichsten sind Apfelbäume, aber auch viele Birnen, Kirschen und ein paar Spindlinge – eine gelbe Zwetschgensorte, die in Weidenberg ihr Zuhause hat.

Vielfältiger Lebensraum: In den hohen, alten Bäumen – Hochstämme erreichen ein Alter von 80 bis 120 Jahren – haben Fledermäuse ihre Tagverstecke und zahlreiche Höhlenbrüter sind hier zu Hause, erklärt Barbara Dahinten. Schmetterlinge und Nachtschmetterlinge wohnen am Stamm, Spechte, Wendehals und Dohlen brüten in Baumhöhlen. Haselmaus, Gartenschläfer werden zu den Nachmietern von Spechthöhlen. Hornissen, Wespen und Wildbienen leben in zerfallendem Holz. Es gibt seltene Pilze und Flechtenarten – „bis zu 5000 Arten leben in Baum und Wiese“, sagt Dahinten.

Geschrieben: Renate Allwicher | Nordbayerischer Kurier